Schülerinnen und Schüler des KKG zeigen auch im Wettbewerb ihr Talent im Verfassen von Literatur.

Der Umgang mit Literatur ist am König-Karlmann-Gymnasium Altötting nicht nur ein fester Bestandteil des Unterrichts in den sprachlichen Fächern, Schülerinnen und Schüler nehmen auch regelmäßig an Wettbewerben teil, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen – so auch in diesem Schuljahr:

Erstmalig wurde nach den coronabedingten Einschränkungen auch der Literaturpreis des Landkreises Altötting wieder vergeben. Im Rahmen dieses Preises schrieben zahlreiche Schülerinnen und Schüler des KKG selbst Texte und reichten diese in zwei verschiedenen Altersstufen (Unter- und Mittelstufe sowie Oberstufe) zunächst bei den Deutschlehrkräften ihrer Klasse ein. Die besten Arbeiten jeder Klasse wurden im Anschluss von einer Jury aus Lehrerinnen und Lehrern der Schule bewertet und an ein Landkreisgremium weitergeleitet, welches aus den jungen Schriftstellerinnen und Schriftstellern die Landkreissieger auswählte.

Besonders erfreulich ist es, dass gleich zwei Preisträgerinnen und Preisträger aus unserer Schule kommen:

Hanna Hausperger aus der Klasse 9c gewann in der Altersgruppe Unter- und Mittelstufe unter Thema Der Hitzesommer im Landkreis Altötting mit ihrem emotional ergreifenden Text einen ausgezeichneten zweiten Platz.

Der Landkreissieger aus der Oberstufe heißt Theo Plank aus der Q12. Unter dem Motto fair handeln und leben im Landkreis Altötting schrieb er eine sehr differenzierte und zum Nachdenken anregende Geschichte mit essayistischen Passagen zur Frage, wie man klimagerecht handeln kann, ohne andere Aspekte eines guten Lebens zu vernachlässigen. Theo stellt in seinem Text das Dilemma zwischen notwendigem Klimaschutz und wirtschaftlichen Zwängen überzeugend dar.

Die beiden Preisträgerinnen und Preisträger wurden vom Landkreis für ihre Leistungen mit einem stattlichen Preisgeld belohnt. – R. Hofmann

Einsen und Nullen

Einsen und Nullen Blut spritzte und färbte die Pixel rot. Headshot. Fassungslos beobachtete ich, wie mein Charakter tot zusammenbrach. Stundenlang, ohne zu merken, wie die Zeit verging, hatte ich gespielt und war so kurz davor gewesen, zu gewinnen. „Game Over!“, blinkte es mir hämisch entgegen. Ich spürte die Wut in mir hochkochen. Wie ein dunkler Nebel, der sich über dem Herzen verdickte, bis mein Brustkorb zu platzen drohte und sich von dort aus rasend in meinem Körper ausbreitete. Wie ein undurchsichtiger Schleier legte er sich über meine Gedanken und ließ mir schwarz vor Augen werden. Der leuchtende Bildschirm wirkte auf mich wie das rote Tuch auf einen Stier. Ich verlor die Kontrolle und zerstörte alles, was mir zwischen die Finger geriet. Diesmal war es die Tastatur meines PCs, die mir in meiner Rage nicht standhielt. Als sich meine Sicht klärte, sah ich sie zertrümmert neben meinem Headset auf dem Boden liegen. Einige Tasten waren herausgebrochen und die Ecken gesplittert. Nicht schon wieder. Offenbar hatte ich während meines Anfalls angefangen, meinen gesamten Frust über meine Niederlage ungezügelt herauszubrüllen, denn ich spürte das mir vertraut gewordene Trockenheitsgefühl im Hals, als hätte ich Schmirgelpapier geschluckt und danach mit Sand gegurgelt. Mehrmals atmete ich tief durch, ich musste mich beruhigen, meinen Puls wieder kontrollieren. Träge wischte ich mir mit dem Handrücken den heißen Schweißfilm von der Stirn. Ich blickte auf und sah meine Mutter in der Tür stehen. Ihre wässrigen Augen lagen tief in den Höhlen und blickten mich kalt und traurig an. Ihre Haare fielen in einem wirren Zopf, von silberweißen Strähnen durchzogen, auf ihrem knochigen Rücken und brachte ihre Schlüsselbeine, die unter ihrer fast durchsichtig scheinenden Haut hervorstachen, zur Geltung. Schmerzlich wurde mir bewusst, wie schwach und zerbrechlich meine Mutter wirklich war, auch wenn es immer so wirkte, als wäre sie die stärkste Frau der Welt. Sie leckte sich über die spröden Lippen und starrte abwechselnd mich und die demolierte Tastatur, die mir gezwungenermaßen als Ventil gedient hatte, vor meinen Füßen müde an. Vermutlich war sie gerade von einer langen Nachtschicht im InnKlinikum, wo sie als Krankenschwester arbeitete, zurückgekommen und hatte mein Geschrei gehört. Aus dem Augenwinkel warf ich einen flüchtigen Blick auf die kleine Digitaluhr auf meinem Schreibtisch. Schon wieder halb sieben. Gestern Nachmittag hatte ich mich nach der Schule, ohne meinen Hausaufgaben weitere Beachtung zu schenken, vor den PC gesetzt und mich gänzlich in dem Computerspiel verloren. Erst gestern hatte ich es mir gekauft. Es war teuer. Viel zu teuer, als dass ich es mir mit den zehn Euro Taschengeld im Monat von meinen Großeltern kaufen hätte können. Haben wollte ich das Spiel trotzdem, also bediente ich mich, während meine Mutter bei der Arbeit war, an der spärlich gefüllten Gelddose in ihrem Nachttischkasten. Die Schublade klemmte immer ein wenig. „Sie sieht ihre Kollegen doch eh öfter als mich, das fällt ihr nicht auf“, redete ich mir ein, aber die Schuldgefühle brannten unter meiner Haut wie eine Tätowierung aus Blei. „Willst du nicht Mal an die frische Luft?“, murmelte meine Mutter tonlos in meine Richtung, ihre Stimme verlor mit jeder Silbe an Kraft, „Es ist wirklich warm draußen und du hast heute eh keine Schule…“ Die letzten Worte waren nicht mehr als ein mattes Hauchen. „Mann, nerv jetzt nicht! Ich hab zu tun!“ In dem Augenblick, in dem die Worte meinen Mund verließen, bereute ich sie schon. Was war nur los mit mir? Aber es war zu spät, mich zu entschuldigen. Meine Mutter nickte nur kühl und schloss meine Zimmertür hinter sich. Voller Scham zupfte ich an meinem schweißnassen T-Shirt herum, plötzlich schien es mir viel zu klein. Es engte mich ein, mein Zimmer engte mich ein. Meine Emotionen übermannten mich erneut und ich ertrug es nicht länger, musste raus. Egal wohin, einfach nur weg von hier! Draußen lief ich los, ohne Ziel, nur um den heißen Asphalt unter meinen abgenutzten Turnschuhen zu spüren. Wie in Trance schüttelte ich alles von mir ab. Die Müdigkeit nach der durchgemachten Nacht, die Gewissensbisse und die Selbstvorwürfe. Ich ließ meine Gefühle, wie unscheinbare Brocken und Klumpen aus meinem Innersten, auf dem Weg hinter mir liegen. Die Sonne schlug mir sengend heiß auf den Kopf und machte das Denken schwer, verbrauchte meine gesamte Konzentration darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzten. Meine Beine wurden immer schwerer, meine Schritte immer kürzer. Meine Lungen ließen mich im Stich, mein Atem rasselte, wie der eines alten Mannes. Man merkte, dass ich sonst so gut wie nie Sport mache. Schon fünf Minuten später hielt ich keuchend an und musste mich auf meine Knie stützen. Wo war ich überhaupt hingelaufen? Gegen die Sonne blinzelnd, sah ich mich um. Schlapp ließ ich mich auf eine schattige Bank in meiner Nähe fallen. Mir direkt gegenüber erkannte ich den Marienbrunnen. Anscheinend war ich bis zum Kapellplatz gelaufen, bevor ich außer Atem und dafür mit Seitenstechen zusammengebrochen war. So früh an einem Samstagmorgen war hier wenig los. Ich lehnte mich erschöpft mit geschlossenen Augen zurück und hörte zu. Das Knirschen von Kies unter den Schuhen, wenn vereinzelte Spaziergänger an mir vorbeigingen, Vögel, die ihre fröhlichen Lieder in die Welt trugen und der Lärm, der Autos, die etwas weiter entfernt fuhren. Ohne mein Headset, das, abgesehen von den lauten Kampfgeräuschen des Spiels, alles andere von außerhalb ausblendete und mich von der realen, echten, wirklichen Welt isolierte, wirkte plötzlich auch das leise Summen einer Biene, aus Fleisch und Blut statt aus Einsen und Nullen, ohrenbetäubend laut. Ich öffnete meine Augen wieder und folgte der Biene mit meinem Blick. Erst schien es, als würde sie keinen geeigneten Platz zum Landen finden, doch dann ließ sie sich auf einem einzelnen Gänseblümchen am Rand einer Grünfläche nieder. Nur wenige Sekunden später kämpfte sie sich wieder in die Luft, weiter auf der Suche nach der nächsten Blüte. Ich allerdings fixierte noch immer das einsame kleine Blümchen, das dort, trotz seines dünnen Stängels und des leicht herabhängenden Kopfes, so selbstbewusst jedem seine Schönheit präsentierte. Einem spontanen Entschluss folgend, zupfte ich das Gänseblümchen so vorsichtig wie möglich heraus und machte mich auf den Weg. Während ich ging, hielt ich die ganze Zeit eine Hand schützend vor die Pflanze, damit sie in einem leichten Windzug, der mich angenehm abkühlte, nicht umknickte. Zurück zuhause angekommen, war ich mir nicht sicher, wohin mit meinem Schatz, ich wusste nur, es sollte das Erste sein, das meiner Mutter ins Auge fiel, nachdem sie aufwachen würde. Als Entschuldigung oder so. Wofür genau, wusste ich nicht, es gab zu viele Gründe. Also einfach für alles. Den Stängel immer noch umklammernd, als würde ich mich daran festhalten können, ließ ich meinen Blick suchend durch unsere Wohnung schweifen. Eine Vase konnte ich nicht finden, meine Mutter bekam ja nie Blumen, also griff ich mir das, was am Ehesten danach aussah: Eine leere Weinflasche auf dem Esstisch. Vorsichtig prüfte ich, ob die Blume nicht in die Flasche fallen würde, und stellte sie dann, tunlichst darauf bedacht, meine Mutter nicht zu wecken, auf den kleinen Tisch neben ihrem Bett. Im Schlaf sah sie noch zerbrechlicher aus als sonst. Ich wusste, dass meine kleine Geste nichts ausrichten könnte, aber mir würde ein kleines Lächeln, das ich schon so lange nicht mehr gesehen habe, auf ihren Lippen reichen. Über ein Gänseblümchen in einer Weinflasche.

Hanna Hausperger, 9C

Lösungsmittel gesucht

Ein viel zu milder Tag im Januar. Es hatte für die Jahreszeit ungewöhnlich warme 13°C, wobei der Begriff ‚ungewöhnlich‘ durch Temperaturen von bis zu 15°C an Silvester und ähnlich hohen zweistelligen Temperaturen in den Wochen vor und nach Weihnachten relativ geworden war.

Auf der B299 zwischen Alt- und Neuötting stockte plötzlich der Verkehr, bis einige Fahrzeuge abrupt zum Stehen kamen. „Meine Güte, was ist da schon wieder los?“, schimpfte der LKW-Fahrer Toni aus dem benachbarten Traunstein. Er musste seine Ladung, 30000 Liter raffiniertes Erdöl zügig nach Burghausen bringen, der knapp getaktete Zeitplan saß ihm unangenehm im Nacken. Eine Verzögerung bedeutete für den Fahrer einen Abzug vom Lohn, aber vor allem, für Toni viel schlimmer, Ärger mit der Chefin, die sowieso mit dem Gedanken spielte, Mitarbeiter zu entlassen. Eine Kündigung wäre für den frisch gewordenen Familienvater fatal, seine Familie brauchte das Geld unbedingt, die Heizkosten gingen durch die Decke, der Kredit für sein vor kurzem erworbenes Haus musste abgezahlt werden, ein Wasserrohrbruch durch eine teure Sanierung verhindert werden.

Tonis Nerven lagen blank. Doch gerade, als er den Motor abstellte und dachte, es könne nicht mehr schlimmer werden, erspähte er aus seinem hohen Führerhaus den Grund für den stehenden Verkehr. Auf der rund 100m entfernten Fußgängerbrücke wurde gerade ein Banner ausgerollt. Soweit Toni dies richtig erkennen konnte, las er „Letzte Generation“. Er kniff seine Augen noch einmal stärker zusammen, und ja, er lag richtig. „Letzte Generation“. In ihm brodelte es jetzt: „Diese Klima-Spinner. Ich dachte, die sind nur in Berlin und München aktiv“, fuhr er hoch. „Na großartig“, bemerkte er dann sarkastisch. Was sollte er jetzt tun? Seine Chefin anrufen? Ihr das erklären? Das wäre vermutlich das sinnvollste, doch Toni packte es. Er stieg zügig aus seinem LKW und stapfte wutentbrannt zu den Aktivisten am Anfang des Staus.

„Ja seid ihr noch ganz richtig im Kopf?!“, brüllte er die vier im Schneidersitz positionierten und auf der Straße festgeklebten Aktivisten an. „Wie soll ich jetzt pünktlich nach Burghausen kommen?“ Die Aktivisten, die Tonis Zorn erkannten, erwiderten wenig empathisch: „Wir sind die letzte Generation, wir müssen protestieren, um die Zerstörung unseres Planeten aufzuhalten.“ Fassungslos starrte Toni die Aktivisten an: „Ich glaub, ich krieg Blutdruck“, stammelte der 30-jährige. Er hatte in der Zeitung von der „Letzten Generation“ und deren Proteste gelesen. Sicher müsse man den Klimaschutz voranbringen, aber diese Art von Protest, die ihn nicht zuletzt bei seiner Berufsausübung, der Erwirtschaftung seines bitter benötigten Gehalts behinderte, ging in seinen Augen klar zu weit.

„Um 12 muss ich in Burghausen sein, ich bin Berufskraftfahrer, ich muss pünktlich ankommen“, flehte Toni die Aktivisten an, die Straße freizugeben. Seine Aggression hatte sich in Verzweiflung gewandelt. Die Aktivisten bemerkten seinen Zustand, wiederholten jedoch stur ihre Sprüche und behaupteten, sie müssten dies für die Zukunft des Planeten tun. Toni stellte frustriert fest, dass mit solchen Extremisten nicht zu diskutieren war und es deshalb sinnlos war, sich weiter zu echauffieren. Er trat den Rückzug zu seinem LKW an. Dies war in seinen Augen ein klarer Fall für die Staatsgewalt und ordentlich Lösungsmittel, um die festgeklebten Hände der Aktivisten von der Straße zu lösen. Dennoch wollte er sich mit den Beweggründen der Aktivisten auseinandersetzen, weshalb er sich beim Weg zurück einen Flyer der Gruppe mitnahm, die zuvor auf der Straße verteilt wurden.

In seinem Fahrerhaus angekommen, entspannte sich Toni bei einer Tasse Kaffee. Dann nahm er voller Skepsis den Flyer der Aktivisten zur Hand und las:

Was ist „fair“?

Man könnte nun eine Definition des Begriffes zitieren und dann Begriffe wie „anständig“ oder „gerecht im Verhalten gegenüber anderen“ erwähnen. Dann könnte man die Frage stellen, was „gerecht“ bedeutet und schließlich in einer philosophischen Abhandlung über Gerechtigkeit enden. Doch das soll dieser Text nicht werden. Eine Abhandlung, eine Begriffserklärung, ein Stück Papier. Denn Fairness ist mehr als nur eine Aneinanderreihung von acht Buchstaben. Fairness ist mehr als nur ein Wort, eine Ansicht oder ein Empfinden. Fairness ist eine Frage der Perspektive und doch manchmal indiskutabel.

Was ist „fair“?

 

Ist es fair, wenn Menschen Termine verpassen, weil sich andere Menschen auf der Straße festkleben, um auf eine existenzielle Bedrohung aufmerksam zu machen? Ist es fair, wenn jene dann zum Schutze der Allgemeinheit in Präventivgewahrsam genommen werden, sie von Medien und Politkern populistisch als Terroristen stigmatisiert werden? Ist das fair?

Ist es fair, wenn Menschen in der Sahelzone ihren Lebensraum verlassen müssen, weil Dürreperioden so unerträglich lang geworden sind, weil ein kleiner, reicher Teil der Erdbevölkerung lebt, als gebe es zwei, drei oder gar vier Planeten Erde? Ist das fair?

Ist es fair, wenn das Abschmelzen der Polkappen dazu führt, dass Tiere ihren natürlichen Lebensraum verlieren und im Meer ertrinken, weil sie keine Eisschollen mehr finden können? Ist das fair?

Ist es fair, wenn Politiker dann Gesetze verabschieden, die der Klimakatastrophe entgegenwirken sollen, diese aber die zukünftigen Generationen mit so gravierenden Folgen belasten, dass jene Gesetze laut Gerichten gegen die Verfassung, unser Grundgesetz verstoßen? Ist das fair?

Ist es fair, wenn Politiker, auch auf Kreisebene marktwirtschaftliche Lösungen der Klimakatastrophe propagieren, aber spätestens seit den 1970er-Jahren vor dem unlimitierten Treibhausgas-Ausstoß gewarnt wird und die Wirtschaft in dieser Zeit genug Möglichkeiten gehabt hätte, ihr Wirken weniger umweltschädlich zu gestalten? Ist das fair?

Ist es fair, wenn der Ausbau der A94 in Dorfen mit Steuergeldern finanziert und dann feierlich zelebriert wird, wenn bereits im Jahr 2016 der Verkehrssektor für fast 20% der Emissionen in Deutschland verantwortlich war und mit jenen Geldern ebenso die Bahn ausgebaut werden hätte können? Ist das fair?

Ist es fair, wenn Konzerne in Zeiten nicht vorhersehbarer Klimaveränderungen in Tüssling Hochholz versuchen, aus Profitgründen Nasskies abzubauen, und dabei wissentlich ein Absinken des Grundwasserspiegels und eine Verunreinigung desselben sowie die Schädigung eines nahe gelegenen Feuchtbiotops in Kauf nehmen? Ist das fair?

Ist es fair, wenn sich Volksvertreter auf Kreisebene aufgrund von LED-Straßenlaternen und der Installation einiger E-Tankstellen als Klimaschützer inszenieren, sie aber teils Parteien angehören, die eine Klimaneutralität Deutschlands im Jahre 2045 anstreben, während bei gleichbleibendem CO2-Ausstoß global nur sechs Jahre und sechs Monate bleiben, klimaneutral zu werden, um das Pariser 1,5°-Ziel zu erreichen? Ist das fair?

Ist es fair, wenn potenziell krebserregende Stoffe vor Jahrzehnten in die Umwelt gelangten, die besser in Werken der chemischen Industrie im Landkreis geblieben wären und diese nun im Blut der Einwohnerinnen und Einwohner mancher Gemeinden im Landkreis zirkulieren? Ist das fair?

Ist es fair, dass erst ein Krieg nötig ist, der Energie knapp und vor allem teuer macht, dass die Temperatur in Hallenbädern im Landkreis gesenkt wird, um Energie zu sparen, während dies aus Klimaschutzgründen seit Jahren von Nöten gewesen wäre? Ist das fair?

 

Ist es fair, unser ökologisch fragwürdiges Verhalten, dass wissentlich negative Konsequenzen auf jetziges und zukünftiges menschliches Leben hat, nicht abrupt der Vergangenheit zu überlassen und endlich nachhaltiger und rücksichtsvoller zu leben? Global, national, aber auch im Landkreis Altötting. Weniger nach dem Motto Profit vor Umweltschäden und Greenwashing vor echtem Klimaschutz.

 

Wir müssen jetzt handeln, um die Schäden unseres westlichen, lebensfeindlichen, egoistischen und zerstörerischen Lebensstils abzumildern. Auch wenn dies angesichts des womöglich drohendem Wohlstandsverlustes und der Geldgier des Einzelnen vor dem Wohle der Gesellschaft, der Menschheit, ja unseres gesamten Planeten für viele als unwahrscheinlich oder unkomfortabel betrachtet wird, müssen wir jetzt handeln. Wir haben keine Zeit mehr!

Toni entdeckte auf der zweiten Seite noch einen Absatz:

 

„Dieser Text soll keine Menschen für Dinge verantwortlich machen, die global zu verantworten sind. Ebenso soll der Text keine Utopie darstellen, keine unreflektierte, idealisierte und realitätsfremde Lösung einer der größten Herausforderungen der Menschheit, wenn nicht der größten Herausforderung der Menschheit, sein.

Dennoch verfolgt der Text eine Intention. Die Intention, zum Nachdenken, zum Reflektieren anzuregen, ob unser Handeln global, national, aber auch regional im Landkreis Altötting wirklich fair ist.“

„Naja, so Unrecht haben Sie ja gar nicht“. Toni war überrascht von seiner Einsicht. Sogar jene radikalen Methoden konnte er nun teils nachvollziehen, wenngleich er diese bei Weitem nicht befürwortete. Ihn stimmte der Text sehr nachdenklich. Auch war ihm aufgefallen, wie wenig wirklicher Klimaschutz, auch in seiner Heimatstadt Traunstein stattfand. Die nahen gelegenen Skipisten wurden aufgrund des Schneemangels künstlich beschneit, als wäre nichts. Ebenso gegen das wahnsinnige Verkehrsaufkommen durch anreisende Skiurlauber wurde nichts unternommen. Trotzdem empfand er den Text als zu einseitig. Zu unreflektiert.

Der Berufskraftfahrer, der leidenschaftlich gern twittere, zückte sein Handy und fotografierte den Flyer. Anschließend fügte er seinen Text in ähnlichem Stil an:

„Hey, Aktivisten. Wäre es fair…Deutschland, Bayern, den Landkreis Altötting zu deindustrialisieren und damit tausende von Arbeitsplätzen zu gefährden. Wäre das fair?

Wäre es fair, Verbrennungsmotoren zu verbieten und dafür Alternativen zu nutzen, die unter menschlich fragwürdigen Bedingungen produziert werden oder Probleme nur verlagern? Wäre das fair?

Wäre es fair, einzig und allein die Politiker auf nationaler und regionaler Ebene verantwortlich zu machen und sich als Individuum völlig aus der Verantwortung zu nehmen? Wäre das fair?“

 

Während er den Text vor dem Veröffentlichen noch einmal durchlas, erkannte Toni, dass seine Position nicht so weit entfernt von der der Aktivisten war, wie er zu Beginn gedacht hatte. Auch er war für konsequenten Klimaschutz, was er gerade in Hinblick auf seinen vor kurzem zur Welt gekommen Sohn erkannt hatte. Er fühlte sich verantwortlich. Verantwortlich, zu handeln. Doch was sollte er tun? Er brauchte das Geld. Und die Speditionen, die fossile Rohstoffe transportieren, zahlten mit Abstand am besten.

Ein Hupen riss ihn aus seinen Gedanken und er sah auf. Die Autos vor ihm fingen an, sich zu bewegen, die Polizei hatte die Aktivisten von der Straße entfernt und der Verkehr konnte wieder anrollen. Auch Toni startete seinen Motor und beschleunigte seinen tonnenschweren LKW langsam. Mit einem anderen Blickwinkel fuhr er nun langsam unter dem Banner der „Letzten Generation“ hindurch, voller Zwiespalt und ohne Aggression zu verspüren, bis er seine Reisegeschwindigkeit erreicht hatte und Richtung Burghausen davonfuhr.   – Theo Plank, Q 12

 

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt darauf an, sie zu verändern.“ – Karl Marx

Theo Plank, Q12

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